German description: Lou Andreas-Salome (1861-1937) begegnete zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei bedeutenden Protagonisten sehr unterschiedlicher Geistesstromungen, die sich der Erforschung von subjektiven Innenwelten widmeten: Sigmund Freud mit seiner neuen Wissenschaft der Psychoanalyse und Rainer Maria Rilke mit seiner Philosophie eines Innerlichkeitskosmos. Von beiden Gedankenwelten zutiefst beruhrt, entwickelte Lou Andreas-Salome eine eigene Synthese. Anders als Freud, fur den das Unbewusste als ein Reservoir fur Verdrangtes und somit potenziell Pathologisches galt, betrachtete Andreas-Salome gerade diese Innenanteile als Quelle fur Kreativitat und Weiterentwicklung. Den Trieb verstand sie nicht als etwas den Menschen primar Bedrangendes, dem er ausgeliefert sei, sondern eher als ein Begehren nach dem Anderen, als eine Sehnsucht nach Beziehung. Gerade hierdurch sah Lou Andreas-Salome intrapsychische Entwicklungsprozesse induziert. Somit ist sie nicht nur als eine Schulerin Freuds, sondern als eine Weiterdenkerin psychoanalytischen Gedankenguts zu betrachten. Ihre Auffassungen von Beziehung und ihr Einfordern des Intuitiven und Spirituellen als einer erweiterten Dimension des Psychischen finden sich heute aufgegriffen in der Bindungs- und Psychotherapieforschung und auch in der Diskussion um Mentalisierungsprozesse.
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